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Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern

Prostitution in Schwerin – ein kaum wahrgenommenes Gewerbe

Aktuell wird in Schwerin/Wüstmark und in Güstrow heiß diskutiert. Aber nicht mit den Betroffenen …

Seit dem Prostitutionsgesetz von 2002 ist Sexarbeit in Deutschland nicht mehr sittenwidrig. Sexarbeiter/innen können Sozialversicherungen abschließen, in die Renten- und Krankenkassen einzahlen, sie zahlen Steuern und können gar ihren Lohn einklagen. Daneben werden Bordellbetreiber nicht mehr automatisch der Zuhälterei bezichtigt. Auch wenn Prostitution (gleich welcher Art die angebotenen Sexdienstleistungen sind) kein Beruf, wie jeder andere ist: Sexarbeit ist legal.

Und dennoch, die Männer und Frauen welche sexuelle Dienstleistungen gegen Geld anbieten, werden häufig persé kriminalisiert und stigmatisiert und werden von kommunalen Entscheidungsprozessen und Debatten ausgegrenzt. Gleiches gilt für die Betreiber von Nachtclubs, Bordellen oder Laufhäusern. Zum Beispiel, wenn es darum geht, städtische Sperrbezirke einzurichten, wenn eine sogenannte Vergnügungssteuer erhoben werden soll etc.pp.. Um den Prostituierten ein Sprachrohr zu geben, gründete sich im Oktober 2013 sogar ein „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen“.

Diskussion um das Erotikkino “Zur alten Post”

Aktuelle Debatte in Schwerin: Der Bauantrag des Betreibers des Erotikkinos “Zur alten Post” im Stadtteil Wüstmark. Ein Anbau für Prostituierten-Wohnungen sein Ziel. Obwohl das Kino bereits seit Jahren hier ansässig ist, wurde nun Unmut von einigen Anwohnern laut. Denn
das Gebäude befindet sich zwar innerhalb des Gewerbegebiets, andererseits aber auch nahe der örtlichen Wohnsiedlung. Die Wüstmarker befürchten nun vermehrt Ruhestörungen und Gesetzesbrüche, sollte das zuständige Amt dem Antrag zustimmen. Auch ist von Verletzungen des Jugendschutzes die Rede. Ende Februar wurde dazu in der Ortsbeiratssitzung heftig diskutiert. Auch die Schweriner Volkszeitung informierte zum Thema – zuletzt vor wenigen Tagen. Die Zeitung stellte daneben gar einen Zusammenhang mit im Milieu leider vereinzelt vorkommenden Menschenrechtsverletzungen her.

Warum allerdings die Kriminalität rund um das Kino in Wüstmark steigen soll und dass dort Prostituierte ihre Dienste unter Zwang anbieten, bleibt ungeklärt und unbewiesen. Peinlich ist vor allem: Weder wurde der Kinobetreiber zur Ortsbeiratssitzung noch zu anderweitigen Gesprächen geladen. Selber Umstand bei der SVZ. Während die Redakteurin schwarzmalerisch die Schattenseiten des Milieus aufzeigte, „vergaß“ sie ebenfalls, den Kino-Geschäftsführer zu befragen. Zudem kamen weder etwaige Sexarbeiter/innen noch ein Verantwortlicher vom im Artikel erwähnten Onlineportal Rotlicht-MV zu Wort. Letzteres veröffentlichte nur wenig später eine Gegendarstellung zum SVZ-Artikel.

Prostitution in MV

In Mecklenburg-Vorpommern ist es in Gemeinden mit bis zu 15.000 Einwohnern verboten, der Prostitution nachzugehen. Zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes, wie es im ersten Paragrafen der Landesverordnung über das Verbot der Prostitution von 1992 heißt. Darüber hinaus gibt es in einigen Städten sogenannte Sperrgebietsverordnungen, welche die Prostitution zumindest teilweise untersagen. So ist es in Stralsund zum Beispiel strafbar, der Straßenprostitution nachzugehen. Straßenprostitution ist in Mecklenburg-Vorpommern indes nur vereinzelt anzutreffen. Auch Bordelle gibt es vergleichsweise wenig. Das Milieu hat sich eher auf sogenannte Modellwohnungen spezialisiert – also Privatwohnungen innerhalb von Wohngebieten, in welchen häufig wechselnde Prostituierte ihre Dienste anbieten. Wie viele solcher Wohnungen es im ganzen Land gibt, ist allerdings nicht bekannt – eine niedrige dreistellige Zahl dürfte es sein.

Bund und Länder haben Sexarbeit aber nicht nur strafrechtlich definiert. Auch die Besteuerung ist festgeschrieben. Dazu gab das Finanzministerium in Mecklenburg-Vorpommern 2012 sogar eine Informationsbroschüre für die (zumeist auf selbständiger Basis arbeitenden) Prostituierten heraus.

Während die rechtliche Lage also feststeht, hapert es oft an der praktischen Umsetzung. Viele der häufig ausländischen Sexarbeiterinnen wissen nur unzureichend über ihre Rechte und Pflichten bescheid. Eine überregionale Beratungsstelle, wie z.B. „Hydra“ in Berlin oder „Nitribitt“ in Bremen gibt es in MV leider bis heute nicht. 2004 und 2012 fand dazu jeweils in Rostock ein sogenannter „Runder Tisch Prostitution“, also eine interdisziplinären Gesprächsrunde zum Thema statt. Hier trafen sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit u.a. Staatsanwaltschaft, Kripo, Gesundheitsamt, Agentur für Arbeit und Koordinierungsstelle CORA. Man tauschte sich aus, diskutierte und resummierte, eines der erklärten Ziele war es, eine entsprechende Beratungsstelle zu gründen. Passiert ist bis heute wenig.

Landesweiter Fachtag zur Prostitution in Güstrow

Am heutigen Mittwoch, dem 09.04.2014, findet nun in Güstrow der erste landesweiter Fachtag zur Prostitution in Güstrow statt. Eingeladen wurden u.a. die Gesundheitsämter, Jugend-, Sozial-, Ordnungs- und Gewerbeämter der Landkreise und kreisfreien Städte sowie kommunale Gleichstellungsbeauftragte, Polizeibehörden, Arbeitsagenturen, Migrationsdienste, psychiatrische Kliniken und gemeinnützige Vereine. Verschiedene Referenten sollen den Teilnehmern einen Eindruck über die Lage in MV vermitteln. Man wolle „verlässliche Informationen“ darlegen und konstruktiv zusammenarbeiten, heißt es laut Pressemitteilung.

Dass auch beim Landesfachtag diejenigen, um die es geht, also Sexarbeiter/innen, Betreiber und Agenturen usw. offensichtlich erneut außen vor gelassen und nicht eingeladen wurden, darüber wird man wohl in der Rotlicht-Branche wieder wenig begeistert sein.

red


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